Die wilde Ehe

oder:

Der verruchte Verräter.

Schreckliche Kartoffeltragödie modernster Hinrichtung
von Paul R. Lehnhard.
Personen:
Graf Habenichts von Dalleshausen-Pleitenberg.
Altvine, die kühne, seine Kusine.
Dienstmann Nr. 107.
Emilie, Stolz der Familie, schlank wie 'ne Lilie, seine Tochter.
Ort der Handlung: Dort und dicht daneben.

Dienstmann (tritt auf): Ich bin der Dienstmann hundertsieben,
Die Nummer ist mir vorgeschrieben.
Ich bin ein Witwer ohne Gattin,
Denn, ach, den Tod, schon lang' sie hat ihn!
Der Schnaps, zu trösten mich vermocht' er —
Herje, da kommt ja meine Tochter!

Emilie (tritt auf): Papa, nein, daß ich Dir begeg'ne —
Ach, wie ich die Minute seg'ne!

Dienstmann: Ich grüße Dich, Stolz der Familie!
Nun sag' mal, wie's Die geht, Emilie?

Emilie: Ganz gut, Papa, ich kann nicht klagen,
nur will es gar nicht mir behagen,
Daß du — so unter unserm Stande —
Trägst Briefe 'rum im ganzen Lande!

Dienstmann: Emilie, Du erregst mir Zweifel!
Ich glaub', Dich packt der Hochmutsteufel!
In unserm Stammbaum ist zu lesen,
Dass Mutter Waschfrau ist gewesen! —

Emilie: Sei still! Das weiß ich ja bereits —
Hör' auf von mütterlicherseits!
(Stolz:) Ich habe Umgang mit 'nem Grafen!

Dienstmann (vorwurfsvoll): Und dabei kannst Du ruhig schlafen?
Der wird Dich nicht — das ist erwiesen —
Zu seiner Gattin mal erhiesen!

Emilie: Nun, tut er's nicht, ist's auch kein Wehe,
Wir leben dann in wilder Ehe!

Dienstmann: Verflucht! Das wagst Du mir zu sagen?
Ich möchte ins Gesicht dir schlagen,
Doch eh' beim Ohr ich Dich erwische,
Schlag' ich mich lieber in die Büsche! (Ab.)

Emilie: Wie sind die Eltern doch zurücke,
Verstehen nichts vom Liebesglücke! —
Da kommt Graf Hugo ja soeben,
Der wird mir seinen Trost schon geben!

Graf (tritt auf): Emilie, gut, daß ich Dich finde —
Ich muß Dir sagen: überwinde!
Ich stehe dicht vor dem Ruine.
Und nehm' zur Frau mir 'ne Kusine.

Emilie: Ha! Was? Du wagst es, mir soeben
Den Laufpaß einfach hier zu geben?
Wart' nur! Dein Testament gleich mache,
Denn ich üb' fürchterliche Rache! (Ab.)

Graf: Nanu, was ist der eingefallen?
Pah — wurde fertig noch mit allen!
Ich schick' ihr diese Bonbonniere,
(Zeigt ein gemaltes Kästchen.)
Denn Zuckersachen liebt sie sehre.
Ißt sie, was ich ihr hab' gestiftet,
So stirbt sie, weil's Konfekt vergiftet! —
He, Dienstmann, kommen Sie mal rüber!

Dienstmann (tritt auf): Was soll ich, Allerwert'ster, Lieber?

Graf: Hier, schleunigst, daß ich's nicht vergesse —
Dies an die richtige Adresse.
Steht alles drauf, die Straße, Pforten —
Nanu adieu — bezahlt wird dorten! (Ab.)

Dienstmann: Adieu, mein Herr, 's soll gleich geschehen!
Ha — Himmel, hilf! Was muß ich sehen?
's ist die Adresse von Emilie,
Vom Stolze unserer Familie!
Ich wag' es gar nicht auszudenken —
Mein Kind läßt sich ... Geschenke schenken?
Ich bring's ihr nicht! O, Herz, schweig' stille —
Erst geh' ich mal in die Destille! (Ab.)

Alwine (tritt auf): Sie seh'n in mir „Fräulein Alwine“,
Ich bin vom Grafen die Kusine.
Erst war ich meinem Vetter wurstig,
Doch jetzt scheint er sehr liebesdurftig.
Zum Glück kam ihm noch nicht zu Ohren,
Daß mein Vermögen ich verloren. —
Da kommt er g'rad', das süße Kerlchen —
Ach, Zähne hat er wie die Perlchen!

Graf (tritt auf): Alwine, welch ein frohes Finden,
Komm', laß uns ehelich verbinden.
Mein Herz für Dich in Lieb' entflammte,
Komm', folge mir zum Standesamte!

Alwine: Ich folg' Die mit dem Myrtenkranze,
Bei so was geh' ich gleich aufs Ganze!
(Beide ab.)

Dienstmann (tritt auf): Oh weh — wie ist mir doch so übel —
Vertrage sonst doch manchen Stiebel —
Doch seit ich das Kongekt gegessen,
Brennt's mir im Bauche wie besessen!
Au, au, o, o, ich kann's nicht sagen —
Welch Unbehagen in dem Magen!

Emilie (tritt auf): Papa, ich hörte Dein Geheule
Und komme zu Dir gleich in Eule!

Dienstmann: Aus meinen Augen, schlechte Jöhre!
Nicht meinen Seelen-Leibschmerz störe!
Konfekt durch mich Dein Graf ...deut —
Ich aß davon und sterb' noch heute!

Emilie: Gift war's für mich, welch selt'nes Walten!

Dienstmann: Dem Kerl will ich den Schädel spalten!

Emilie: So zieh' ich mich zurück so lange,
Bis unsre Rache ich im Gange. (Ab.)

Dienstmann: Wie wühlt's in meinem Eingeweide —
Dem Kerl tu' ich jetzt was zuleide!
Erst schmier' ich nochmals meine Sohlen,
Um einen Sabul mir zu holen! (Ab.)

Graf (tritt auf): So ist sie nun mein Weib, Alwine,
Und wieder froh ist meine Miene,
Denn bald bezahlt sind jetzt die Schulden —

Alwine (tritt auf): Nee, Freund, da mußt Du Dich gedulden!
Erfahre denn — ich sag's Die heute —
Ich bin schon lange gänzlich pleite!

Graf: Ha — so ein Reinfall! Nischt zu erben?
Verruchte! Warte, Du mußt sterben!
(Ersticht sie mit einem Brotmesser.)

Alwine (sterbend): Weh' mir — das ist nicht auszuhalten —
Er hat den Schädel mir gespalten.
(Fällt um, ab.)

Graf: Die bin ich los und auch die andre.
Nun ist's am besten, daß ich wand're!

Emilie (tritt auf): Nein! Keinen Schritt! Steh', Du Verräter!

Graf: Du lebst noch? Wart', Dich mach' ich töter!
(Ersticht sie.)

Emilie (sterbend): Weh' mir, nichts hab' ich mehr zu hoffen!
So gut hast du noch nie getroffen!
(Fällt um, ab.)

Graf: Mir ist wahrhaftig heiß geworden —
Jetzt bin ich g'rad' so drin im Morden!

Dienstmann (tritt auf): Die Rache naht jetzt ganz entsetzlich!
Ich schlage ab den Kopf Dir plötzlich!
(Schlägt ihm komisch den Kopf ab.)

Graf (fällt um, ab).

Dienstmann: 's war einer von den besten Streichen!
Da liegen 'rum nun schon drei Leichen. —
Ich fühl' das Gift im Leib rumoren —
Ich sterbe gern — bin doch verloren!
Im Tod ich's noch bekennen kann:
Die wilde Eh' hat Schuld daran!
(Stirbt, fällt um, ab.)

Ende.