Thiemos Archiv
- Monday, 2005-04-25 15:00
- Workshop „Urheberrecht und Rechtemanagement in Hochschulprojekten“
Mitschrift und Notizen von Thiemo Mättig, Mittweida, 20. April 2005.
Vorgetragen hat Andreas Wolfrum vom CeC – Centrum für eCompetence in Hochschulen NRW, das seinen Sitz in Hagen hat.
Er sagt, das „Thema berührt uns seit 5 Jahren“ und das „Thema ist entscheidend für die Akzeptanz von Lehr- und Lernangeboten“. Das CeC arbeitet mit dem Land NRW zusammen, sprich: mit dem „Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen“. Es geht um „Portale“. Gemeint sind Lehr- und Lernportale.
Die ersten Buzzwords fallen: „Kommerzialisierung“, „Verwertungschancen“.
Das CeC hat bisher 10,5 Mill. Euro investiert, in 80 Projekte, die alle in NRW im Einsatz sind.
Herr Wolfrum empfiehlt das Buch „Multimediarecht für die Hochschulpraxis“, das es als PDF zum Runterladen gibt.
Herr Wolfrum fragt die Erwartungen der Teilnehmer ab (toll). Resultat: Gewünscht ist weniger „wie kann ich eigene Inhalte schützen“ sondern vor allem „was darf ich, was darf ich nicht“. Beispiel: Mein Lehrmaterial y basiert auf x, was muss ich beachten, wenn ich y kommerziell vermarkten will? Anderes Beispiel: Wörterbuch (= Datensammlung). Die Teilnehmer sprechen auch konkrete Probleme mit dem Bildungsportal Sachsen (BPS) an: Ist das (versteckt?) kommerziell? Ist mein Content beim BPS vor Missbrauch sicher?
Unterschied Verwertungs/Nutzungsrecht?
Gewünscht sind viele Fallbeispiele (z.B. benötigt eine Musikhochschule sehr viele Klangbeispiele: Wie ist das mit der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte)?

Der Vortrag gliedert sich in drei große Teile:
- Urheberrecht
- Rechte-Management
- Verwertung
Was ist schutzfähig? Wodurch: Patentrecht, Urheberrecht, Kennzeichenrecht, vertraglicher Schutz, ... (?)
Wolfrum hat offenbar kaum Erfahrung mit dem Phänomen Open Source. Er meint, dass „Softwarepatente Open Source kaputt machen, befürchtet die Open Source-Bewegung, aber darüber reden wir heute nicht.“ Das Stichwort „Trivialpatente“ – mit dem Urheberrecht hat die Open Source-Bewegung im Allgemeinen keine Probleme – fällt nicht.
Bisher werden nur Fragen gestellt – keine Antworten. Aber: Es geht langsam, aber kompetent los.
Urheberrecht = Schutz der Rechte des Autors, stellt Möglichkeiten zur Verwertung sicher, Sicherstellung einer angemessenen Vergütung (das ist ein recht neuer Paragraph). Voraussetzung für Urheberrecht: Persönliche geistige Schöpfung. Tipp: Im Zweifel immer von Schutzfähigkeit ausgehen!
„Ideen“ sind nicht geschützt – erst, wenn man sie in eine Form bringt.
Wer ist Urheber? Nur natürliche Personen können Urheber im Sinne des Gesetzes sein, nicht juristische Personen (z.B. Hochschulen), nicht Auftraggeber. Man beachte die Abgrenzung zum Verwertungs/Nutzungsrecht, da ist das anders.
Wenn es mehr als einen Urheber gibt, unterscheidet man:
- Miturheber – nicht gesondert verwertbar.
- Werkverbindung – separate Verwertbarkeit. Als Beispiel wird Melodie und Text genannt.
Interessante Frage: Kann man Urheberrechte vertraglich ausschließen? Antwort: Nein. Die Urheberschaft ist nicht übertragbar. Man beachte wieder die Abgrenzung zu Nutzungs/Verwertungsrechten.
Leistungsschutzrechte sind äquivalent zum Urheberrecht, gelten aber für Fotos, Filme usw., weil der Bildinhalt ja schon anders urheberrechtlich geschützt ist. Da kann der Inhaber des Rechts auch eine juristische Person sein.
Fallbeispiel Christo: Dürfen Fotos vom verhüllten Reichstag als Postkarte verkauft werden? Nein, weil es sich um ein temporäres (!) Kunstwerk handelt. Das BGH hat entschieden, dass die Verhüllung ein Kunstwerk war, und zwar kein dauerhaftes (dann wäre das Verkaufen von Postkarten kein Problem gewesen). Die Ausnahme der „Panorama-Freiheit“ (Gebäude ist von einem öffentlichen Platz aus sichtbar und Teil eines größeren Fotos) galt beim verhüllten Reichstag nicht.
Fallbeispiel Hundertwasser: Der Verkauf eines Fotos vom Hundertwasserhaus aus einem neuen, unüblichen Blickwinkel (also nicht von der Straße aus) ist verboten. Dabei ist egal, ob der Standpunkt der Kamera im eigenen Haus liegt. Aber: Das sind immer Einzelfallentscheidungen!
Rechte der Urheber und Leistungsschutzberechtigten (Zusammenfassung):
- Urheberpersönlichkeitsrecht. Schließt ein: (Erst-)Veröffentlichungsrecht, Entstellungsverbot (Ausnahme: Synchronisation), Namensnennungsrecht. Rat: Im Impressum ausnahmslos alle Autoren aufführen.
- Verwertungsrecht. Schließt ein: Vervielfältigung, Verbreitung, Recht der öffentlichen Wiedergabe vs. Recht der öffentlichen Zugänglichmachung.
Witzige Zwischen-Frage: Online einsehbar machen und Runterladen (z.B. als PDF) wird von den Zuhörern als zwei verschiedene Dinge wahrgenommen.
Nutzungsrechte sind immer an einen Vertrag gebunden. Jedes Nutzungsrecht hat einen anderen Umfang (dieser muss im Vertrag stehen): Es gibt ein einfaches/ausschließliches sowie beschränktes/unbeschränktes (wobei das kombinierbar ist) Nutzungsrecht. Tipp: Auf Klarheit solcher Verträge achten. Arten der Nutzung genau beschreiben. Das Bearbeitungsrecht sollte explizit aufgeführt werden, wenn es gewünscht ist.
Stichwort „Verwertungsgesellschaften“, damit ist z.B. die GEMA gemeint.
Wenn ich ein Buch kaufe, erwerbe ich ein einfaches Nutzungsrecht. Das Selbe gilt, wenn ich meinen Studenten Lehrmaterialien gebe.
Stichwort: Rechtebündelung, diese ist typisch für Hochschulen. Die Hochschule vertritt praktisch die eigentlichen Urheber.
Es gibt viele sogenannte Schrankenregelungen: Zitatrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, ... Vorsicht! Die Grenzen sind nie klar! Rechte sollten im Zweifelsfall besser explizit eingeholt werden.
Zitatrecht: Wichtig für die Entscheidung, ob das Zitatrecht angewandt werden kann oder nicht, ist die Belegfunktion. Ein Zitat belegt nur eine eigene Aussage. Wenn es keine solche eigene Aussage gibt, ist es kein Zitat.
Beim Zitieren von Musik gibt es keine Sekunden-Grenze, wie oft fälschlicherweise behauptet wird – die Belegfunktion muss gegeben sein.
Außerdem wichtig (sowieso): Die Quellenangabe.
Aber: Es sind immer Einzelfall-Entscheidungen. Es gibt kein Rezept, was unter das Zitatrecht fällt und was nicht. Ein wichtiges Indiz ist jedoch die Anzahl der Zitate. Wenn es zu viele Zitate sind, wird die Belegfunktion wieder fragwürdig.
Interessante Erkenntnis zum Zitatrecht: Texte im Internet sind nie erschienen (nur veröffentlicht), da sie nie in körperlicher Form existiert haben. Zitiert werden kann nur, was körperlich erschienen ist.
Was ist öffentlich? Vorlesungen sind im Allgemeinen öffentlich. Kleine Kreise von einem Duzend Leuten sind nicht so richtig öffentlich, auch wenn die Einladung dazu öffentlich war.
„On-the-spot-consultation“ in Bibliotheken (neue Regelung): Digitale Verfügbarmachung von Werken, aber nur innerhalb (!) der Bibliotheksräume (also nicht von zu Hause oder vom Arbeitsplatz) und nur in der selben Anzahl wie Werke existieren. Fazit: Nutzloser Paragraph (dieser lautete im Entwurf ganz anders und wurde dann massiv entschärft).
Nutzungsrechte im Hochschul-Projekt: Ziel ist die Bündelung der Rechte aller Beteiligten an allen Materialien in der Hand der Hochschule.
Der Grundsatz „Freiheit von Forschung und Lehre“ führt zu freien Werken, die urheberrechtlich geschützt sind, also dem Autor gehören (z.B. wenn ein wissenschaftlicher Mitarbeiter Vorlesungsskripte erstellt). Es sind keine Dienstwerke (nur bei diesen fällt das Nutzungsrecht automatisch an die Hochschule). Wieder gilt: Nur schriftliche Verträge schaffen Sicherheit. Dafür gibt es Musterverträge bei CeC.
Projektintern sollte ein „Rechtemanager“ bestimmt werden – das ist etwa 1/4 bis 1/2 Stelle. Dieser muss kein Jurist sein. Aufgabe: Dokumentation von allem, was mit Urheberrecht zu tun hat (Quellen, geschlossene Verträge etc.). Wichtig: Möglichst am Anfang schon überlegen, wie das Ergebnis verwertet werden soll, wie (Medien/arten), für wen (Zielgruppe), wo (räumliche/zeitliche Grenzen) usw. Alle mit den Mitarbeitern geschlossenen Verträge usw. sollten von Anfang an darauf ausgerichtet sein.
Für studentische Hilfskräfte gilt, dass sie ein Arbeitsverhältnis haben und damit für alles, was sie tun, das ausschließliche Nutzungsrecht an die Hochschule geht. Das gilt jedoch nicht für Diplom- oder Belegarbeiten (wie oft fälschlicherweise angenommen), es sei denn natürlich, dazu gibt es einen entsprechenden Vertrag.
Lizenzmodelle werden erwähnt, so z.B. die „Creative Commons Licenses“ – auf deutsches Recht angepasste Alternativen für offene Lizenzmodelle (z.B. beschränkt auf Forschung und Lehre) sind bei CeC zu finden.
Im Internet sieht man oft die Markierung © für „Copyright“. Ist diese nötig? Antwort: Es ist egal, das © bedeutet in Deutschland nichts, es hat keinerlei Rechtswirkung. Aber es ist dennoch sinnvoll, um ein Rechtsbewusstsein zu schaffen (das Internet wird im Allgemeinen als rechtsfreier Raum wahrgenommen) und um eine Beweiserleichterung zu haben. Zu beachten ist der Unterschied zu den USA. Dort muss ein Werk beim Patentamt angemeldet sein.
Wolfrum schildert abschließend Erfahrungen in NRW mit der Verwertung:
- Es gibt keinen Massenmarkt für Lehr/Lernsoftware (wäre nur bei betrieblicher Weiterbildung gegeben)
- Nicht primär für kommerzielle Verwertung geschaffen
- Es fehlt der Produktcharakter (weil es sich um Forschungsergebnisse handelt)
- Wird ergänzend, nicht ersetzend in der Lehre eingesetzt
Fazit: Die kommerzielle Verwertung von Lehr- und Lernsoftware kann nur erfolgreich sein, wenn Hochschulen Inhalte nachfrageorientiert entwickeln.
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