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Ich habe eine E-Mail von einem Vertreter des »Start up«-Unternehmens »Projekt ›virtuelle Welt‹ GbR« erhalten. Er hat mich bei der Yahoo-Suche nach »HTML, CSS, PHP und MySQL« gefunden (da bin ich irgendwo auf Platz 700) und meint, »auf Grund meiner Internetpräsenz mit den darin enthaltenen Kenntnissen und Referenzen« wäre ich als »Kooperationspartner« für das von ihm vertretene Projekt geeignet.

Aber was ist das Projekt »virtuelle Welten«?

Vereinfacht ausgedrückt geht es um die Entwicklung eines Internet-Portals, das alle Zielgruppen und »alle Lebensbereiche« gleichermaßen abdeckt. Man kann »neue Freunde finden«, »online Einkaufen«, »sich über Veranstaltungen informieren« und vieles mehr. Die »virtuelle Welt« ist dabei kein normales Web-Portal sondern eine weitestgehend dreidimensionale, »neu strukturierte« und überhaupt »verbesserte« »Simulation der realen Welt«. Programmierer schaffen zum Beispiel Sraßenzüge, Ladenpassagen oder einfach Möbelstücke, die dann als Module in die virtuelle Welt eingebettet werden. Durch den Verkauf von Dienstleistungen oder Waren, die sowohl virtuell als auch real sein können, finanziert sich das Ganze. Kurz gesagt handelt es sich um das »Internet der Zukunft«. Die Macher »sind sicher, dass die ›virtuelle Welt‹ durch ihr einzigartiges Marketingkonzept eine der erfolgreichsten Internetseiten aller Zeiten wird«. Zum Vergleich werden die Daten anderer Internetseiten wie etwa eBay, neu.de oder openBC herangezogen.

Mit meinen eigenen Worten ausgedrückt, wenn ich das darf, schafft das Projekt »virtuelle Welten« ein mehr oder weniger abgekapseltes »Internet im Internet«. Ein Blick in die Zukunft ist das nicht, im Gegenteil: Das Ganze ist ein Schritt zurück in die von Euphorie geprägten Anfangszeiten des Internets, als Portale wie Pilze aus dem Boden schossen und genauso schnell wieder verschwanden. Die spannendsten Entwicklungen der jüngsten Zeit werden ignoriert, dass nämlich die mächtigsten Netzwerke nicht bei eBay oder neu.de entstehen, sondern sich dezentral durch die Aktivitäten der Benutzer in vielen völlig verschiedenen und für sich genommen eher langweiligen Diensten zusammensetzen: del.icio.us, Flickr, Weblogs, Wikis und Google, um nur die prominentesten Schlagworte herauszugreifen. Portale wie zum Beispiel die von AOL oder T-Online sind erfolgreich, daran besteht kein Zweifel. Aber warum? Betreibt AOL besonders originelles Marketing? Gibt es bei T-Online Angebote, die es sonst nirgends gibt?

Die Idee dreidimensionaler, virtueller Welten ist älter als das Internet. Und jeder einzelne Vorstoß in diese Richtung ist gescheitert, hauptsächlich wohl ganz einfach deshalb, weil wir keine 3D-Bildschirme haben. Oder kann mir jemand ein halbwegs erfolgreiches 3D-Portal abseits der Spieleindustrie nennen? Haben die Anwender das Bedürfnis, virtuelle Wohnungen einzurichten? Ja, vielleicht. Deshalb sind »Die Sims« so erfolgreich. Besteht ein Bedürfnis danach, Produkte dreidimensional vor sich zu sehen, ehe man sie kauft? Ja, sicher. Deshalb wird es Ladengeschäfte wie die von Mediamarkt oder Saturn immer geben. Habe ich den Wunsch, eine halbe Stunde mit virtuellen Straßenbahnen und Bussen unterwegs zu sein, ehe ich den für mich passenden Shop erreicht habe? Vieleicht ja, normalerweise aber nicht. Deshalb gibt es Google und eBay.

Die Entwicklung des Webs steckt nach wie vor in den Kinderschuhen, zeigt aber einen klaren Trend: Angebote müssen schnell auffindbar und immer verfügbar sein. Wie sie aussehen, ist ziemlich egal. Aus gestalterischer Sicht sind gerade die Großen wie eBay oder sogar Google eine ziemliche Katastrophe, aber trotzdem, vielleicht auch deshalb, funktionieren sie. Das Web ist keine Plakatwand. Virtuelle Welten entstehen im Kopf, nicht auf einem zweidimensionalen Bildschirm.

PS: Was das mit »HTML, CSS, PHP und MySQL« zu tun hat, fragt ihr? Nichts.

Was mißfällt Dir gestalterisch an Google? Lean und clean, finde ich.

Auffällig an wirklich guten Ideen (eBay, Google, OpenBC, jobpilot.de, mobile.de, ja selbst jamba) ist weniger die Vision dahinter im Sinne einer revolutionären Veränderung des WWW, sondern die Schlichtheit der Idee.

Auf eBay hätte man doch auch selbst kommen können, oder?
Wolfgang Wüst
Die Idee mit einer virtuellen Welt im Internet ist wirklich sehr alt und ich habe noch nie einen Erfolg gesehen, egal wie sie hießen. Man muss ja erst mal fragen welche Nutzen es bringt. Was bringt mir ein Internet im Internet? Wozu brauche ich eine simulierte Welt welche mir das bietet, was ich in der Realität auch schon habe? Im Grunde ist das nicht anderes wie ein Rollenspiel mit einer näheren Anbindung an die Realität. Einen wirklichen Erfolg auf lange Sicht kann ich mir nicht vorstellen. Am Anfang ist es was "neues" und einige werden es sich anschauen, aber nach einer gewissen Zeit wird das auch wieder einschlafen wie viele Portale und virtuelle Welten zuvor.

Der eigentliche Witz an dem Konzept ist für mich, das man versucht einige Randgruppen zu bedienen, in der Hoffnung eine Masse damit begeistern zu können.
Sven
Mir missfällt an Google nichts, sogenannten "Designern" jedoch schon. (Gefunden bei Garvin.)
Thiemo
Auch ich habe eine Nachricht des Mitarbeiters vom Projekt "virtuelle Welt" vor einigen Wochen erhalten.
Zunächst möchte ich mich zum PS von Thiemo äussern.

Im Schreiben von Herrn Babig stand u.a. folgendes drin:

Voraussetzungen für Kooperationspartner:
- HTML, CSS, PHP, mySQL
- selbständiges Arbeiten
- Termintreue
- Einhaltung unserer Qualitätsstandards

Ich gehe davon aus, dass nicht alles in 3D gehalten sein wird, sondern dass es auch Seiten geben wird, die statisch sein werden und hauptsächlich im Hintergrund laufen werden. Dann wird es bestimmt auch Programme geben, die der Verwaltung etc. dienen. So gesehen ist wohl von einer Grundvorraussetzung zu sprechen, die ein Softwareentwickler oder eben Kooperationspartner mitbringen muss.

"Die Entwicklung des Webs steckt nach wie vor in den Kinderschuhen, zeigt aber einen klaren Trend: Angebote müssen schnell auffindbar und immer verfügbar sein."

Da stimme ich Dir absolut zu ... doch wenn man mal ein Produkt bei den Suchmaschienen eingibt, dann kommen da abermillionen Beiträge zum Produkt, die oft nichts direkt damit zu tun haben und von der Verfügbarkeit mal ganz zu schweigen. Schon oft genug habe ich die Meldung erhalten, dass es das Produkt nicht mehr gibt ... sowohl im Internet, als auch in der Realität. Man nehme da nur mal das Beispiel ProMarkt: Im Internet verfügbar, doch im Handel nicht ... und warum? Weil die nix miteinander zu tun haben. Sehr enttäuschend! Soweit mal zum Zitat: "Besteht ein Bedürfnis danach, Produkte dreidimensional vor sich zu sehen, ehe man sie kauft? Ja, sicher. Deshalb wird es Ladengeschäfte wie die von Mediamarkt oder Saturn immer geben."
Ich bin mir sicher, dass es die immer geben wird, doch es fällt mir leichter, das Produkt zuhause erst einmal komplett von allen Seiten anzusehen, damit ich im Geschäft nicht soviel Zeit vertrödeln muss, um mich kundig zu machen ... vor allem, da es immer eine Ewigkeit dauert, bevor man in dieser Servicewüste Deutschland bedient/beraten wird. Von daher bin ich sehr begeistert über diese Idee!
Soweit meine Ansicht zu Deiner Aussage: "Habe ich den Wunsch, eine halbe Stunde mit virtuellen Straßenbahnen und Bussen unterwegs zu sein, ehe ich den für mich passenden Shop erreicht habe?"
Da wird es wohl auch so sein, dass ich per Suchbegriff sofort zu den Läden "geschickt" werde, die diese Produkte führen ... quasi beamen, von einer Stelle zu nächsten, ob in Deutschland oder in der Karibik egal.

"Oder kann mir jemand ein halbwegs erfolgreiches 3D-Portal abseits der Spieleindustrie nennen?"
Nun, dass kann ich noch nicht. Ich habe mich damit nur wenig auseinandergesetzt. Da stelle ich einfach mal die Gegenfrage ... wenn es in der Spieleindustrie funktioniert ... was sollte jemanden davon abhalten, dass es auch in dieser "Industrie" funktioniert. Da kann man etliche historische Beispiele aufführen:
Thomas Edison: über 1000 Versuche, bis der richtige Draht zusammengesetzt wurde.
Mobiltelefone: Auch hier hat man gesagt, das man das nicht braucht und nur ein "Hype" sei
Das letzte Beispiel, wovon wir alle hier betroffen sind, zeigt es am besten ...
Computer ... "Wer braucht so ein Zeug schon, es hat über Jahrzehnte mit Karteikarten geklappt und das wird auch heute noch so funktionieren"
Benutzen wir doch alle heute PC's ... nur weil einer oder wenige die Vision und Idee dazu hatten.


Zu Wolfgang Wüst:

"Auffällig an wirklich guten Ideen (eBay, Google, OpenBC, jobpilot.de, mobile.de, ja selbst jamba) ist weniger die Vision dahinter im Sinne einer revolutionären Veränderung des WWW, sondern die Schlichtheit der Idee."
Ich glaube, die Idee ist auch hier ganz schlicht, zumindest soweit ich sie verstanden habe.
Ich habe hier die Möglichkeit über EIN Portal das alles zu finden, was ich sonst über etliche andere Portale suchen müsste oder eben in der Realität erst ablaufen muss. Ob es nun ein Job ist - jobpilot.de - ob es Kontakte sind - OpenBC - oder ob es Produkte jeglicher Art sein oder was auch immer ich in der Realität suche. Meist muss ich auch noch bei vielen Seiten Entgelte bezahlen, wenn ich wirklich gute "Informationen" haben will. Meine monatlichen Beiträge belaufen sich da auf ca. 50 Euro. Ich habe mich auf etlichen Seiten angemeldet. Jedes Mal immer wieder die gleichen/ähnlichen Anmeldeformulare ausfüllen ... das ging mir nach der Siebten oder Achten Seite auf den Geist, ergo habe ich etliche Seiten einfach weggelassen. Da finde ich es besser, alles aus einer Hand zu haben, nur einmal zu bezahlen und mir dennoch auszusuchen, welche ich Infos ich haben möchte.
Für die Kooperationspartner ist es auch eine schlichte Angelegenheit. Die Programmierer vermieten ihre Entwicklungen an den Vertrieb und werden dafür dann Monat für Monat entlohnt. Die Vertriebsmitarbeiter haben mindestens so ein Produkt bei der Hand, das jeweils auch noch speziell von den Programmieren an jede Firma und ihre Bedürfnisse angepasst werden, so dass die diese Plattform zur Werbung nutzen und ihre eigenen Produkte zusätzlich verkaufen können.
So gesehen ist es eine schlichte Idee die dahinter steckt, Vertrieb hilft Programmieren und andersrum auch ... aus meinen Augen eine WinWin Situation.

Nun, da ich selbst derzeit noch ein andere Projekte eingebunden bin, habe ich mich dazu entschlossen, mir den Newsletter zuschicken zu lassen. Alleine was im letzten Abschnitt stand finde ich schon herrausragend:

"Angefangen hat alles mit einem Gedanken. Dann haben zwei Leute die ersten Schritte gewagt. Dass wir heute um die 25 Partner sind, hängt zum allergrößten Teil an der Arbeit eines einzelnen - Jens Babig."

Und so wie ich das verstanden habe, sind es alle Kooperationspartner, die bis dato unentgeldlich daran arbeiten. 25 Leute können sich meiner Meinung nach nicht irren!
Joe Dnalsie

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