Thiemos Archiv
- Friday, 2012-06-01 17:29
- Ich könnte mal jemanden zum Diskutieren gebrauchen, der sich ein wenig mit Windows 8 beschäftigt hat. Ich werde nicht schlau daraus und selbst seriöse Texte wie dieser (lohnt sich wirklich zu lesen) lassen mich ratlos zurück.
Ob meine Startmenüeinträge jetzt Kacheln sind, ist mir eigentlich herzlich egal. Was ich nicht verstehe, ist der Punkt, dass sich ab sofort angeblich jedes Windows-Programm an die Kachel-Metapher halten muss. Was soll das heißen? Angenommen, Notepad++, Eclipse, Photoshop oder Word werden in "Metro-Applikationen im Kacheldesign" umgewandelt, was heißt das? Sind die Wörter, die man in Word und Notepad++ schreibt, dann große bunte Rechtecke, deren Farbe man nicht mehr ändern kann? Sicher nicht. Ribbons? Soll das die große Neuerung von Windows 8 sein? Die haben wir doch schon seit Jahren.
Bis jetzt habe ich nur eine Sache verstanden: Anwendungen im "Metro-Stil" zu entwickeln, bedeutet, dass uns Microsoft zwingt, nur noch Anwendungen für den Vollbildmodus zu entwickeln. Das soll die Neuerung an Windows 8 sein? Dass uns Microsoft etwas verbietet?
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Der Desktop als Arbeitsoberfläche für "serious business" wird erhalten bleiben (und ist auch in W8 nur einen Klick entfernt), aber zunehmend zur Nische für Content-Entwickler und Administratoren werden. Die meisten brauchen eben nur zwei, drei "Apps", Media-Player, Web-Browser und ihr favorisiertes Social Gedöhns und mehr nicht. Mit anderen Worten: Die breite Masse der Anwender brauchte und wollte nie einen "richtigen" Computer und ergo auch nie ein "richtiges" Betriebssystem. Diesen Menschen reichen nebeneinander stellbare Vollbild-Anwendungen.
Und ansonsten ist die ganze Aufregung umsonst: Photoshop, Eclipse und Notepad++ bleiben genau so wie und wo sie sind, Fenster im Desktop-Modus. Die Ribbons im Explorer kann man abschalten. Das alte Start-Menü? Geschenkt. Visual Studio Express kann nur noch Metro? Ist ja nicht so, dass es keine Alternativen gibt und dass VS nicht vor 2005 auch schon Geld gekostet hat.
(Gute Sachen an W8: Neuer Task-Manager, bessere Copy-Dialoge und Logik, insgesamt etwas schneller und schlanker. Hätte ich gerne als Backport für W7.)
Was mich als Hobbbyspieleentwickler aber beschäftigt ist: was muss ich alles beachten? Will ich das beachten? Wie viele Spieler gehen mit verloren, wenn ich das nicht mache? Soll ich nicht doch lieber HTML5 Spiele machen?
2) Wenn 95% meckern, dann kann daraus durchaus ein "Mecker-Hype" entstehen (wer dann nicht mit meckert wird schnell selbst zum Bemeckerten). => Viele meckern, weil viele meckern.
3) Was Microsoft da gerade anbahnt, ist aus meiner Sicht genial (wenn ich das alles richtig deute). Bislang waren die Desktop- und Tablet-Welten voneinander getrennt. Hier Microsoft XP/7, dort Android/iOS. Nun kommt ein OS, dass gleichermaßen auf Tablets und Desktops läuft. Endlich kann ich alle meine geliebten Desktop-Programme auf ein Tablet bringen. Endlich ein richtiges MS-Office und kein "Betrachter" oder "Google-Docs-Konverter".
Eine Konsequenz ergibt sich allerdings daraus: ein Programm kann sich zukünftig nicht mehr sicher sein, dass es auf einem Desktop ausgeführt wird. Es könnte auch ein Tablet sein. Da die Bedienkonzepte in beiden Fällen völlig verschieden sind, müssen m.E. mehrere GUIs her. Das Problem kennt man im Web ja schon seit vielen Jahren. Welcher Browser? Welche Auflösung? Nun geht Microsoft den, wie ich finde, mutigen Schritt und setzt das Ganze konsequenterweise für Programme und Betriebssysteme um.
Redundanzen in den unterschiedlichen GUI-Welten sind also nicht problematisch, sondern erforderlich, wenn man gewährleisten will, dass sowohl Desktop- als auch Tablet-Benutzer vernünftig Einstellungen verändern können. Problematisch sind eher solche Dinge, die nur in einer GUI durchführbar sind, da sie evtl. für andere GUI-Benutzer nicht erreichbar sind (sofern relevant).
Fazit: Microsoft bewegt sich und reagiert auf die veränderte Umwelt. Das finde ich erst einmal gut. Mag der erste Wurf noch einiger Verbesserungen bedürfen, so geht er paradigmatisch den richtigen Weg. Ich setze sogar noch einen oben drauf: wenn Microsoft irgendwann auch einmal auf dem XXL-Fernseher läuft (Media Edition gibt's ja schon), dann wird eine weitere GUI mit wiederum anderen Eigenschaften entstehen.
Warum reden wir also nicht darüber, dass es derzeit so verdammt schwer zu sein scheint, Programme mit dynamischen GUIs zu versehen (Werkzeugdebatte)? Stattdessen wird das verursachende Konzept kritisiert (Reißverschlüsse sind Teufelszeug).
Klar, was Microsoft aktuell veranstaltet ist entweder absolut genial oder vollkommen irre. Wahrscheinlich beides. Ich habe ehrlich keine Ahnung, was das für mich effektiv bedeuten wird (beruflich wie privat), aber genau das ist auch das Problem. Ich habe schon verschiedentlich gelesen, dass Microsofts Problem in erster Linie ein PR-Desaster ist. Sie vermitteln den Eindruck, allen Desktop-Anwender quasi die Tastatur wegnehmen zu wollen. Microsoft stellt es so dar, als ob man mit Windows 8 überhaupt nicht mehr arbeiten könne. Jede Anleitung, die sich an Windows-8-Entwickler richtet, geht von der ersten Sekunde davon aus, dass man alle möglichen Funktionen hinter Wischgesten verstecken müsse. Je nachdem, wie und von wo man wischt, passiert irgendwas anderes. Das soll jemand verstehen? Das soll der heilige Gral der Einfachheit sein, alles so zu verstecken, dass man größtenteils gar keine Ahnung mehr hat, wo man danach suchen soll? Und nebenbei: Ich habe keinen beschissenen Touchbildschirm! Ich werde auch in 10 Jahren ganz sicher keinen Touchbildschirm vor mir stehen haben, auf dem ich mit ausgestrecktem Arm über Tastatur und Maus hinweg herum fummle! Lasst mich mit diesem Touch-Müll in Ruhe und gebt mir ein Fenstersystem zum Arbeiten!
Immerhin bin ich mir inzwischen ziemlich sicher, dass ich Windows 8 beruflich komplett ignorieren kann. Das wird definitiv wie bei Vista laufen und übersprungen werden. Vermutlich hat Microsoft das sogar so geplant.