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Thiemos Archiv

Seit einigen Monaten bin ich verstärkt auf der Suche nach obsoleter IT-Literatur aus den 1960er bis 1990er Jahren – also aus genau der Zeit, bevor ich selbst ernsthaft mit der IT in Berührung kam. Inzwischen verzweifle ich ein klein wenig an der Frage, wie ich die wachsende analoge Sammlung sinnvoll digital aufbereiten könnte. Diese Woche lief mir ein Kompendium zum Thema »Internet« aus dem Jahr 1999 über den Weg, mit dem ich ein Experiment gestartet habe: Ich habe alles, was ich spannend fand, in einen Thread von Twitter-Tweets mit Auszügen aus dem Buch gegossen.

Hier zu Archivierungszwecken eine Kopie des Threads:

Das »umfassend Know-how zum Thema Internet« wie es vor 21 Jahren war, gedruckt auf rund 1300 Seiten, mit CD, für nur 79,95 DM: Ich präsentiere das Buch »Internet intern« von Data-Becker aus dem Jahr 1999.

Buch Internet intern von Data-Becker

Aus dem Vorwort: »Möge vor allem unseren Kindern im Namen einer freien und umfassenden Informationspolitik das Internet einmal ein positives Hilfsmittel auf ihrem Lebensweg sein.« Schwarzenbek im August 1999

Vorwort

»Nur die ständige Aufmerksamkeit der gesamten Internetgemeinde wird das übermäßige Wuchern des Mißbrauchs verhindern.«

Randbemerkungen zum Browser-Krieg: »Eine Veränderung zugunsten von Netscape könnte sich aus der Fusion mit AOL ergeben. Sobald AOL [auf HTML umstellt und Netscape nutzt], würden die Browser-Markanteile zugunsten von Netscape verschoben.«

Randbemerkungen zum Browser-Krieg

»Analoge Internetanbindung« per Modem mit max. 56.000 bps (V.90) ist die Norm. ADSL ist brandneu. »Ausbau auf 43 Städte bis ins Jahr 2000 und auf ca. 75 Städte im Jahr 2003.«

Verfügbarkeit

Spam, UBE, UCE und Spam-Filter sind 1999 bereits feststehende Begriffe. »Spam steht für Specially Prepared Assorted Meat, eine Art speziell vorbereitetes gemischtes Fleisch in Dosen.«

Spam – Ungebetene Massenpost

Gleichzeitig scheint es (immer noch?) E-Mail-Suchmaschinen zu geben, »die Personen durch Eingabe des Namens wieder findet«.

E-Mail-Adressen finden

Bildschirmtext (BTX) und CEPT existieren noch, sterben 1999 aber bereits. Im Bild: T-Online mit dem Diskussionsforum des WDR-Computerclub.

Diskussionsforum des WDR-Computerclubs

Unvermeidbar: Die allgegenwärtige Liste von Chat-Akronymen, die in Wirklichkeit kein Mensch benutzt. HDOS heißt »halt die Ohren steif«, Tgif angeblich »thanks god I'm female«.

Chat-Akronyme

Die Angst vor Cookies ist 1999 schon groß. Ein eigener Abschnitt erklärt, was Cookies nicht können.

Cookies und eventuelle Risiken

Ganze 56 Seiten widmen sich VRML, der Virtual Reality Modelling Language. 3D! Im Browser! 1999!

VRML – Virtuelle Welten laden ein

Ein Kapitel heißt »HTML-Standards im Browser-Krieg«. »Da hinter dem Internet ein riesiger Markt steckt, ist es wohl auch in Zukunft nicht zu erwarten, daß alle Browser gleich auf eine HTML-Seite reagieren.«

HTML-Standards

»Mit <META NAME=keywords CONTENT=...> geben Sie der Suchmaschine die Schlüsselwörter, nach denen ein potentieller Leser suchen würde. Lediglich diese Stichwörter benutzt eine Suchmaschine bei der Online-Recherche.« Das stimmte 1999 schon nicht mehr.

Tip: Auf die Auswahl der Schlüsselwörter kommt es an

Es geht um MIME-Typen, Flash, Frames, E-Mail-Formulare, Dynamisches HTML (DHTML), Java-Applets, CGI, ActiveX, COM (Component Object Model), XML, Browser-Plug-Ins und Add-Ons. CSS gibt es 1999 schon.

Über IPv6 wird seit 1990 diskutiert (RFC 1550), Drafts bzw. Spezifikationen existieren seit 1995 (RFC 1883).

Die Merkmale von IPv6

Das letzte Kapitel bietet einen Ausblick in das »Zeitalter moderner elektronischer Kommunikation«. Dabei sind Handhelds wie der PalmPilot keine Telefone, sondern werden »mit dem PC synchronisiert«.

Mobile Webpräsenz – Internet und Handhelds

1999 im Trend: Die Swatch-Internetzeit, die den Tag in 1000 Beats teilt, ohne Sommerzeit oder Zeitzonen, ausgerichtet am Firmensitz in Biel. »Bis sich diese Zeit im Internet allgemein durchsetzen wird, werden wohl noch einige Hunderttausend Beats vergehen.«

Swatch-Internetzeit

Modems mit max. 56 KBit/s und Internet-by-Call waren 1999 die Norm. Über lange Zeit stabil bei 0,06 DM/Minute. Wäre man rund um die Uhr online geblieben, wären das heute umgerechnet (mit Inflationsausgleich) 1700 €/Monat. Mit den heute üblichen 30 €/Monat konnte man sich 1999 (wieder mit Inflationsausgleich) für 12 Stunden ins Internet einwählen. Oder jeden Tag 20 Minuten.

Mit diesem Budget konnte man max. 300 MB runterladen. Im Monat.

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